E-Mails mit scheinbar harmlosen Rechnungsanhängen stellen nach wie vor einen großen Angriffspunkt für Cyberangriffe dar, insbesondere dann, wenn sie über HTML-Dateien getarnt sind. Solche Anhänge können beim Öffnen unbemerkt Skripte ausführen und Schadcode nachladen, ohne dass der Nutzer etwas Verdächtiges bemerkt.
Genau ein solcher Fall konnte von unseren Analysten kürzlich in der Leitstelle beobachtet werden. Eine in Outlook geöffnete HTML-Rechnung, dargestellt in Tangro, der Lösung zur digitalen Dokumentenverarbeitung in SAP/S/4HANA, löste im Hintergrund eine stark verschleierte PowerShell-Befehlszeile aus. Diese war durch XOR-Transformation und Base64-Kodierung verborgen und enthielt eindeutig schädliche Funktionalität.
Die anschließende Analyse zeigte eine **mehrstufige Angriffskette („staged payload“) **, bei der der Schadcode schrittweise nachgeladen und ausgeführt wurde. Dabei wurden temporäre Skripte erstellt, Dateien von verdächtigen Domains heruntergeladen und Befehle über wscript.exe ausgeführt.
Wäre der Angriff erfolgreich gewesen, hätte insbesondere die HANA-Instanz durch die Sicherheitslücke CVE-2025-42957 ein attraktives Ziel für weitere Kompromittierungen dargestellt. Der Vorfall verdeutlicht eindrucksvoll, wie raffiniert und gefährlich manipulierte HTML-Rechnungen sein können – und wie wichtig eine konsequente Sicherheitsüberwachung in allen Phasen des Dokumentenmanagements ist.
Gefahren:
- Nachladen weiterer Schadsoftware (Staged Payload): Der Angriff läuft in mehreren Phasen ab, zunächst unauffällig, dann zunehmend gefährlicher. Nachgeladene Module können u.a Passwörter auslesen, Daten verschlüsseln oder persistente Zugänge einrichten.
- Umgehen von Sicherheitsmechanismen: Durch Obfuskierung (z.B. XOR, Base64) wird Schadcode für Virenscanner schwer erkennbar. Herkömmliche E-Mail Filter oder Endpoint Schutzlösungen schlagen oft nicht an.
- Datendiebstahl und Spionage: Zugriff auf vertrauliche Geschäftsdaten, Kundendaten oder Finanzinformationen. Mögliche Exfiltration zu Command-and-Control-Servern.
- Missbrauch interner Systeme (z.B SAP/HANA): Über Tangro und SAP können besonders sensible Systeme erreicht werden. Eine Kompromittierung von HANA-Instanzen erlaubt potenziell Zugriff auf kritische Unternehmensprozesse.
- Betriebsunterbrechung und Produktionsausfälle: Schadsoftware kann Systeme verschlüsseln oder sabotieren. Stillstand in der Buchhaltung, Beschaffung oder Produktion möglich.
- Finanzielle und rechtliche Folgen: Kosten durch Wiederherstellung, Incident Response und mögliche Lösegeldforderungen. Datenschutzverletzungen können Bußgelder nach DSGVO nach sich ziehen.
- Reputations und Vertrauensverlust: Die Offenlegung eines Cyberangriffs kann das Vertrauen von Kunden, Partnern und Investoren beeinträchtigen. Langfristige Image- und Marktfolgen möglich.
Durchgeführte kundenspezifische Maßnahmen
Durch schnelle Reaktion und enge Zusammenarbeit mit dem Kunden gelang es, die Ausbreitung der Schadsoftware einzudämmen. Die BlueTeam Leitstelle betont die Bedeutung von kontinuierlicher Überwachung, Patchmanagement und proaktiven organisatorischen sowie technischen Maßnahmen, um zukünftige Bedrohungen frühzeitig abzuwehren.
- Isolation: Das betroffene System wurde sofort heruntergefahren und aus dem Netzwerk genommen.
- Forensik: Festplatten‑Images erstellt; volatiles Speichermaterial idealerweise vor dem Herunterfahren gesichert.
- Konten & Zugang: Passwörter zurückgesetzt, verdächtige Konten deaktiviert; AD‑Kennwort des betroffenen Users geändert; kein privilegiertes Admin‑Konto betroffen. AD‑Konto nach Abschluss der Forensik neu angelegt.
- Nutzer‑Kommunikation: Betroffener Anwender informiert und sensibilisiert; die verdächtige E‑Mail gelöscht und aus zentralen Postfächern entfernt, um Nachinfektionen zu vermeiden.
- Wiederherstellung: Rechner neu aufgesetzt (Clean‑Image, Patches, Hardening). E‑Mail‑/Traffic‑Prüfung: E‑Mail‑Flows und Postfächer auf weitere Verbreitung geprüft.
Unsere Handlungsempfehlungen:
- Patchmanagement: Überprüfen Sie die Sicherheitsupdates für kritische Systeme. Insbesondere SAP‑HANA‑Instanzen sollten auf dem aktuellen Stand sein.
- Weitere Forensik: Tiefgehende Analyse der betroffenen Dateien, Logs und Netzwerk‑Traffic, um Ursprung und Umfang festzulegen.
- Mitarbeiterschulung: Sensibilisierung zu Phishing‑Indikatoren und Umgang mit verdächtigen Anhängen/Links.
- Prozessoptimierung: Incident‑Response‑Prozess, E‑Mail‑Gateway‑/Mimecast‑Regeln, Alarm‑ und Eskalationspfade sowie Patch‑ und Backup‑Prozesse prüfen und verbessern.
Tangro / SAP HANA — spezifische Hinweise:
- Empfehlung: Prüfen Sie bitte umgehend die Patch‑Stände der SAP‑HANA‑Instanzen und die Tangro‑Integrationspunkte (Datei‑Handling, Preview/Rendering von HTML/PDF, Zugriffsrechte zwischen Tangro und SAP).
- Begründung: Bei erfolgreicher Kompromittierung des Tangro‑Assets wäre die zugrundeliegende SAP HANA‑Instanz aufgrund der bekannten Schwachstelle CVE‑2025‑42957 ein attraktives Ziel für Folgeschäden.
- Konkrete Handlung: Stellen Sie sicher, dass die SAP‑Patches 3627998 und 3633838 auf den betreffenden Systemen eingespielt sind. Prüfen Sie außerdem Tangro‑Konfigurationen auf unsichere Voreinstellungen (z. B. automatische Vorschau aktiver Inhalte) und beschränkt Rechte zwischen Tangro‑Dienstkonto und SAP‑Systemen nach dem Prinzip der minimalen Rechte.
Fazit
Der Vorfall zeigt eindrucksvoll, wie präzise und professionell Cyberangriffe heute instrumentiert werden. Eine unscheinbare E-Mail genügte, um eine hoch entwickelte Angriffskette auszulösen, getarnt durch verschleierte Skripte, geschickt eingebettet in vertraute Arbeitsabläufe und Systeme wie Outlook und Tangro. Gleichzeitig hat der Vorfall aber auch gezeigt, wie entscheidend starke Partnerschaften sind. Durch die reibungslose Zusammenarbeit mit dem Kunden und unserem gemeinsamen Verständnis als Teil der IT-Organisation konnte die Bedrohung früh erkannt und erfolgreich eingedämmt werden. Dieses Zusammenspiel aus technischer Expertise, klaren Prozessen und direkter Kommunikation war der Schlüssel, um Schlimmeres zu verhindern.
Denn eins steht fest: Cybersicherheit ist kein Produkt, sondern eine Haltung. Sie entsteht durch kontinuierliche Wachsamkeit, modernste Schutzmechanismen und ein hohes Sicherheitsbewusstsein auf allen Ebenen.
„Solche Angriffe zeigen, wie wichtig es ist, sowohl technische als auch menschliche Risiken zu adressieren.“ – Analyst des Certified Security Operations Center Teams.
Nur wer Technik und Mensch gleichermaßen stärkt, bleibt den Angreifern langfristig einen Schritt voraus.
